Brüsseler Erklärung der Länder

Brüsseler Erklärung der Länder

Konferenz der Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder am 7. September 2023 in Brüssel

Brüsseler Erklärung der Länder

(Stand: 7. September 2023)

Aus Anlass ihres Treffens in Brüssel am 7. September 2023 erklären die Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder:

  1. Die Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder betonen, dass eine starke, demokratische und handlungsfähige Europäische Union entscheidend für den Erhalt von Freiheit, Frieden und Wohlstand ist.

Derzeit wird diese Freiheit sowohl durch innere Strömungen, als auch durch äußere Bedrohungen zunehmend gefährdet. Der völkerrechtswidrige Angriffskrieg Russlands hat die europäische Friedensordnung nachhaltig erschüttert. Die Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder bekräftigen ihre ungebrochene Solidarität mit der Ukraine und versichern weiterhin ihre umfassende humanitäre Unterstützung, z. B. im Rahmen von Regionalpartnerschaften und begrüßen die finanzielle, logistische, medizinische und militärische Hilfe seitens der EU, der Bundesrepublik, der Länder und weiterer Akteure, um die russische Aggression abzuwehren. Zugleich sollten die Kosten Russlands für eine Fortsetzung des Angriffskriegs durch politische und wirtschaftliche Sanktionen stetig erhöht werden. Die strafrechtliche Verfolgung und Ahndung der zahlreich dokumentierten Kriegsverbrechen werden unterstützt. Russlands Angriffskrieg hat Millionen Menschen aus der Ukraine in die Flucht getrieben. Die Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder werden die geflüchteten Ukrainerinnen und Ukrainer weiterhin bestmöglich unterstützen. Sie begrüßen den Beschluss der EU-Innenministerinnen und -Innenminister vom 04.03.2022, der es ermöglicht, ukrainische Kriegsflüchtlinge schnell und unbürokratisch in der gesamten EU aufzunehmen.
Die Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder begrüßen die konkrete Beitrittsperspektive für die Ukraine, aber auch für Staaten Südosteuropas. Sie heben hervor, dass die Beitritte auch im Interesse der EU liegen.

  1. Die Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder stellen fest, dass auch innereuropäisch zunehmend grundlegende gemeinsame Werte in Frage gestellt werden. Die Basis von rechtstaatlichen und demokratischen Grundsätzen muss weiter gestärkt werden. Antidemokratische, antieuropäische und populistische Tendenzen in einem Mitgliedstaat haben unmittelbare Auswirkungen sowohl auf den einzelnen Mitgliedstaat als auch auf die EU als Wertegemeinschaft. Daher begrüßen die Länder ausdrücklich die Mechanismen zur Einhaltung der Rechtsstaatlichkeit sowie eine etwaige Sanktionierung der Missachtung des Rechtsstaatlichkeitsprinzips. Vor dem Hintergrund der vielfältigen Krisen, müssen die Handlungsfähigkeit weiter gestärkt und die Reaktionszeit der EU durch geeignete Reformen beschleunigt werden. Dies entspricht ebenfalls den Beratungen und den Ergebnissen der europäischen Bürgerinnen und Bürger im Rahmen der Konferenz zur Zukunft Europas. Dafür kann unter anderem der Übergang zu Mehrheitsentscheidungen in klar definierten Politikbereichen im Rat notwendig sein.
  1. Die Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder fordern, dass die EU die internen und externen Herausforderungen noch entschiedener angeht. Dazu gehören u. a. die veränderte geopolitische Ordnung, der Klimawandel, die Energiekrise, notwendige Transformationsprozesse, der demographische und digitale Wandel, Migration, die strukturellen Abhängigkeiten von anderen Wirtschaftsräumen, die fragile Lieferketten und die Sicherstellung nachhaltiger Ressourcennutzung. Die aktuellen Umbrüche sind eine Belastungsprobe für die Wirtschaft und Gesellschaft der EU. Ein entsprechend hohes Innovations- und Investitionsniveau ist daher erforderlich. Sie betonen, dass die notwendigen Investitionen nicht durch einzelne Mitgliedstaaten, Regionen, oder die Bürgerinnen und Bürger sowie die Wirtschaft allein gestemmt werden können, sondern dass dies als eine der zentralen gemeinsamen Aufgaben zu begreifen ist. Besondere Unterstützung benötigen dabei kleine und mittlere Unternehmen (KMU) sowie Bürgerinnen und Bürger mit kleinem Einkommen. Die Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder sind sich einig, dass die anstehende Aufgabe eine „mehrschichtige“ Transformation ist: eine nachhaltige und digitale Transformation, deren soziale, gesellschaftliche und ökonomische Auswirkungen es zu bewältigen gilt. Dabei sollten die auf Ebene der Kommunen und Länder gesammelten Erfahrungen noch systematischer und vorausschauender für eine entsprechende EU-Regulierung genutzt werden.
  1. Die Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder heben hervor, dass die grundsätzlichen Ziele des europäischen Green Deals die zentrale strategische Weichenstellung für den Übergang zu einer nachhaltigen, wettbewerbsfähigen, klimaneutralen und sozialen Marktwirtschaft auf EU-Ebene sind. Der Klimawandel und die daraus resultierenden Folgen gefährden weltweit die natürlichen Lebensgrundlagen und damit auch die Ernährungssicherheit. Es ist daher erforderlich, die Treibhausgasemissionen im Sinne der europäischen Klimaziele anhaltend zu verringern, Klimaanpassungsmaßnahmen gezielt zu stärken und mit natürlichen Ressourcen effizient umzugehen. Zielsetzungen, Grenzwerte und Fristen müssen jedoch so festgelegt werden, dass sie realistisch, in der Praxis umsetzbar und im Hinblick auf unterschiedliche Politikbereiche kohärent ausgestaltet sind. Die für die Transformationen notwendigen Schlüsseltechnologien müssen entschieden vorangebracht werden. Die Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder betonen, dass die Transformation zu einer klimaneutralen Wirtschaft gemeinsam mit der Industrie vorangebracht werden muss. Dabei bilden Start-Ups und Mittelstand ein wichtiges Fundament, wobei KMU sowie ein Unternehmenswachstum über die bisherige KMU-Schwelle hinaus noch gezielter als bisher gefördert werden sollten. Die Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder setzen sich für größere Anstrengungen bei der Förderung von Forschung und Innovation als entscheidender Faktor der Wettbewerbsfähigkeit ein.
  2. Die Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder stellen fest, dass durch eine erfolgreiche industrielle Transformation neben klimapolitischen auch wirtschafts-, wettbewerbs-, und geopolitische Ziele der EU erreicht werden können. Die Verfügbarkeit und der gesicherte Bezug von nachhaltig produziertem Strom zu international wettbewerbsfähigen Preisen entwickeln sich zunehmend zu einem entscheidenden Standortfaktor. Der zügige Ausbau erneuerbarer Energien verringert die Abhängigkeit von fossilen Energieträgern sowie deren Import. Außerdem sind eine gesicherte Versorgung mit Rohstoffen und Chemikalien und der Abbau von Bürokratie, einschließlich der Beschleunigung behördlicher Verfahren, für alle transformationsrelevanten Bereiche essentiell. Hinsichtlich des Tempos zur Erreichung der Klimaneutralität ist darauf zu achten, dass die internationale Wettbewerbsfähigkeit der Industrie der EU erhalten und die Akzeptanz in der Bevölkerung gewährleistet bleiben. Darüber hinaus betonen die Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder die Bedeutung von nachhaltig produziertem Wasserstoff. Sie weisen darauf hin, dass umgehend die geeigneten instrumentellen und förderseitigen Rahmenbedingungen für einen schnellen Ausbau der Erzeugung und des Imports von vorzugsweise grünem Wasserstoff sowie für die Errichtung der erforderlichen – auch grenzüberschreitenden – Infrastruktur geschaffen werden müssen.
  3. Die infolge des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine gestiegenen Energiekosten stellen ein akutes Hemmnis für die Erholung der Konjunktur und die Rückkehr der Industrieproduktion auf Vorkrisenniveau dar. Es muss daher den Mitgliedstaaten für einen Übergangszeitraum möglich sein, einen wettbewerbsfähigen Brückenstrompreis vor allem für energieintensive und im internationalen Wettbewerb stehende Unternehmen zu etablieren, bis bezahlbare erneuerbare Energien in hinreichendem Umfang zur Verfügung stehen. Energieversorgungssicherheit und stabile Energiepreise stellen wichtige Aspekte zur Sicherung der EU als Wirtschaftsstandort dar. Um den Ausbau erneuerbarer Energien zügig voranzutreiben, sind beispielsweise Differenzverträge oder Power Purchase Agreements wertvolle Instrumente, um Planungssicherheit und Investitionsanreize herzustellen. Zur Stärkung des europäischen Binnenmarktes sind die Interkonnektivität der Energienetze zu verbessern, deren Ausbau voranzutreiben und geeignete Speicherlösungen zu entwickeln. Die Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder bitten die europäische Kommission geeignete Anpassungen an dem europäischen Strommarktdesign vorzunehmen, damit zukünftig nicht marktgerechte Energiepreisentwicklungen bei der Strompreisbildung unberücksichtigt bleiben.
  1. Neben Aspekten der Ökologie und Wirtschaftlichkeit muss bei der Umsetzung von Klimaschutz und Energiewende auch die Sozialverträglichkeit und Ausgewogenheit der Maßnahmen gewahrt bleiben, um deren Akzeptanz in der Breite der Gesellschaft nicht zu gefährden.
  1. Die Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder sind der Auffassung, dass die Stabilität des EU-Binnenmarktes auch in einem global anspruchsvollen Umfeld weiter zu stärken und gleichzeitig die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft zu sichern ist. Sie nehmen zur Kenntnis, dass verschiedene Wirtschaftsmächte außerhalb Europas Subventionsprogramme u.a. für wichtige Industriezweige und für klimaneutrale Technologien aufgesetzt haben. Dies trifft in besonderem Maße die europäische Solarindustrie, welche nicht nur durch außereuropäische Subventionsprogramme, sondern aktuell auch durch extrem wettbewerbswidrige Praktiken chinesischer Hersteller in eine existenzgefährdende Situation geraten ist.

Die Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder betonen die Notwendigkeit, eine angemessene gemeinsame europäische Antwort auf die Programme zu formulieren. Dazu bedarf es u. a. der Neugestaltung und Entbürokratisierung des europäischen Beihilferechts auf Grundlage der neu geschaffenen Subventionsoptionen, damit sowohl der Zusammenhalt des Binnenmarktes gewährleistet, als auch wirtschaftliche Anreize für Transformationsregionen und auch für strukturschwache Gebiete in der EU ermöglicht werden. Die Regierungschefinnen und Regierungschefs verfolgen die Debatte zur Reform des Stabilitäts- und Wachstumspakts aufmerksam. Die Herausforderungen bedeuten für die öffentlichen Haushalte enorme Anstrengungen. Die Länder unterstreichen, dass nur eine international wettbewerbsfähige Wirtschaft und stabile öffentliche Finanzen die EU in die Lage versetzen, den Herausforderungen der Zukunft dauerhaft zu begegnen.

  1. Die Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder halten kürzere und vereinfachte Planungs- und Genehmigungsverfahren für essentiell. Das gilt insbesondere für Important Projects of Common European Interest (IPCEI), die für den Transformationsprozess von zentraler Bedeutung sind, sowie für Vorhaben, die nach den Leitlinien für staatliche Klima-, Umweltschutz- und Energiebeihilfen (KUEBLL) zu bewilligen sind. Darüber hinaus muss das europäische Vergaberecht angepasst werden, sodass es öffentliche Investitionen sowie die Nachfrage nach klimaneutralen Produkten und Technologien befördert, u. a. durch eine inflationsbedingte Erhöhung der Schwellenwerte.
  1. Die Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder betonen die zentrale Bedeutung der Kohäsionspolitik. Gezielte strukturpolitische Investitionen unterstützen maßgeblich eine ausgewogenere wirtschaftliche und soziale Entwicklung, reduzieren Ungleichheiten zwischen den Regionen und fördern auf diese Weise den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Sie sind jedoch der Auffassung, dass die vielfältigen sozialen, ökonomischen und ökologischen Herausforderungen der Transformation die Ungleichheiten zwischen den europäischen Regionen wieder verschärfen und dadurch den Zusammenhalt der Regionen akut gefährden können. Dies betrifft alle Regionen unabhängig vom Entwicklungsstand. Daher fordern die Länder für die kommende Förderperiode eine angemessene Mittelausstattung und attraktive Kofinanzierungssätze insbesondere für Übergangsregionen, aber auch für stärker entwickelte Regionen als Wachstums- und Innovationslokomotiven der EU. Die Herausforderungen der Gegenwart und Zukunft sind nicht allein an das Bruttoinlandsprodukt gekoppelt. Es gilt vorhandene Stärken zu stärken, um so den europäischen Anschluss an den globalen Wettbewerb zu behalten. Angesichts dieser Ausgangslage bedarf es einer Fortentwicklung der Kohäsionspolitik, die die Regionen bei der Bewältigung der mehrschichtigen Transformation unterstützt, es ermöglicht, flexibel auf die jeweiligen Transformationsbedarfe zu reagieren und zugleich darauf abzielt, die Unterschiede zwischen den Regionen zu verringern. Neben einer finanziell gut ausgestatteten und langfristig agierenden Kohäsionspolitik betonen die Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder, dass es bei keinem der Strukturfonds zu Schwächungen kommen darf. Kohäsionspolitik muss in klarer regionaler Verantwortung bleiben. Nur unter Einbeziehung der Regionen gelingt ein Europa nahe an Bürgerinnen und Bürgern, das vor Ort wirkt. Die Länder setzen sich für eine Kohäsionspolitik 2028-2034 ein, die die Grundsätze der Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit achtet und die den Regionen die erforderlichen Freiheiten bei der Gestaltung der Förderprogramme belässt sowie mehr Rechtssicherheit und Effizienz bietet.
  1. Die Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder sind sich einig, dass die am 08.06.2023 mehrheitlich gefasste Einigung der Innenministerinnen und -minister der EU-Mitgliedstaaten zum EU-Migrationspaket nur einen ersten wichtigen Schritt in Richtung einer solidarischen Migrationspolitik darstellen kann, wenn sie konsequent umgesetzt wird. Dieser Kompromiss zeigt, dass Europa grundsätzlich handlungsfähig ist, wenn der politische Wille vorhanden ist. Es ist gelungen, auch jene Staaten in die Verantwortung zu nehmen, die bisher praktisch keinen Beitrag zur Aufnahme und Versorgung von Asylbewerberinnen und Asylbewerbern geleistet haben. Die Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder sind der Auffassung, dass der eingeräumte Handlungsspielraum im Rahmen des Solidaritätsmechanismus jedoch nicht dazu führen darf, dass das Ziel eines solidarischen Systems unterwandert wird. Sie betonen überdies, dass rechtssichere und menschenrechtskonforme Verfahren an den EU-Außengrenzen nachprüfbar eingehalten werden müssen. Vor allem für Familien mit Kindern muss die Einhaltung besonderer Schutzregeln insbesondere nach der Kinderrechtskonvention sichergestellt sein. Die Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder vertrauen darauf, dass Rat und Europäisches Parlament das Verfahren im Trilog zeitnah zum Abschluss bringen.
  1. Die Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder betonen, dass die Entbürokratisierung und die Beschleunigung von Verfahren, sowie die enge Abstimmung mit der Praxis essentielle Grundpfeiler für eine erfolgreiche europäische Politik darstellen. Diese Stellschrauben gilt es bei allen Maßnahmen zu beachten, die notwendig sind, um die skizzierten Herausforderungen zu bewältigen. Die Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder weisen in diesem Zusammenhang außerdem auf die Einhaltung der Subsidiarität hin. Beispielsweise muss die europäische Artenschutzpolitik regionale Antworten auf regional unterschiedliche Herausforderungen beim Wolfsschutz ermöglichen.
  2. Die Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder unterstreichen abschließend die entscheidende Bedeutung der Europäischen Union zur Bewältigung der aktuellen und perspektivischen Herausforderungen und zur Sicherung der Freiheit, des Friedens und des Wohlstands in Europa. Umso wichtiger ist es, dass Deutschland eine aktive und gestaltende Rolle einnimmt, um die Interessen des Bundes und der Länder bestmöglich in den europäischen Vorhaben zu verankern. Die Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder erwarten von der Bundesregierung, Deutschlands besonderer Verantwortung in Europa nachzukommen und sich engagiert für die europäische Integration einzusetzen. Die Länder werden im Rahmen ihrer verfassungsmäßigen Verantwortung aktiv die deutsche Europapolitik mitgestalten – im deutschen wie im gesamteuropäischen Interesse.

Die Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder rufen die Bürgerinnen und Bürger zur Teilnahme an der Europawahl 2024 auf.

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